Schreiben lernen, heißt – schreiben!
Die Idee, dass man schreiben lernen könne, ist vom Genie-Mythos denkbar weit entfernt. Schreiben lernen bedeutet Probleme erkennen, Sprachbewusstsein entwickeln, und das gewonnene Wissen im Schreibtraining in die eigene Praxis zu integrieren. Mit schöpferischer Ekstase scheint das erst einmal eher wenig zu tun zu haben.
Franz Kafka hat die Erzählung Das Urteil bekanntlich in einer einzigen Nacht geschrieben: „die Geschichte ist wie eine regelrechte Geburt mit Schmutz und Schleim bedeckt aus mir herausgekommen“, schreibt er im Tagebuch. Doch das ist die große Ausnahme. Der Normalfall ist weniger aufregend. Schreiben lernen geht nicht ohne Schreiben üben, und Üben besteht in der regelmäßigen Wiederholung. Schreiben lernt man, indem man es tut. Dabei ist ein Schreibritual hilfreich. Rituale nehmen uns die Entscheidung ab, etwas zu tun. Für den Anfang genügen 15 Minuten pro Tag. Jeden Tag acht Stunden schreiben zu wollen, sei die sicherste Methode, seine Dissertation) nicht zu schreiben, so Joan Bolken in ihrem unterhaltsamen Schreibratgeber Writing Your Dissertation in Fifteen Minutes a Day. Eine Viertelstunde pro Tag ist machbar. Wenn man tut, was man sich vorgenommen hat, verschafft man sich selbst ein Erfolgserlebnis. Auf einmal macht Schreiben Spaß, und so verlängert sich die tägliche Schreibzeit von allein. Zum Schreiben Lernen gehört es, eine Leichtigkeit zu entwickeln. Schreiben hat man dann gelernt, wenn es eine selbstverständliche Tätigkeit geworden ist.
Zwischen dem Minimum von 15 Minuten am Tag und den unerreichbaren acht Stunden liegt ein weites Feld. Was ist ein gutes Maß für jemanden, der regelmäßig schreibt? Die Dauer von 90 Minuten entspricht unserem Biorhythmus, danach brauchen wir eine Pause. Mit einer bis zwei 90-Minuten-Schreibsitzungen pro Tag kommt man schon sehr weit. Cal Newport beschreibt die damit verbundene Arbeitstechnik in seinem Buch Konzentriert arbeiten: Regeln für eine Welt voller Ablenkungen. Wichtig ist die Intensität. Wenn Sie an die Grenze Ihrer Konzentrationsfähigkeit gehen, werden Sie sehen, dass Sie nicht mehr als zwei, allerhöchstens drei solcher Deep Work-Sitzungen am Tag schaffen. Das ist übrigens keine neue Erkenntnis: „Drei Stunden pro Tag werden so viel erbringen, wie ein Mensch schreiben sollte“, sagte der englische Schriftsteller Anthony Trollope 1883.